Historie der Schreinerinnung Heidelberg
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Nach langem Widerstand im Reichstag wird am 4. April 1898 eine neue Gewerbeordnung rechtskräftig.
Im Paragraph 81 heißt es dort:
«Diejenigen, welche ein Gewerbe selbständig betreiben, können zur Förderung der gemeinsamen gewerblichen Interessen zu einer Innung zusammentreten.»
Zur Aufgabe der Innung gehören die «Pflege des Gemeingeistes und der Standesehre», die «Förderung des gedeihlichen Verhältnisses zwischen Meistern und Gesellen», die Lehrlingsausbildung, ein Schiedsgericht sowie Kranken- und Sterbekassen. -
Am 17. Oktober 1898 findet sich im Protokollbuch der Heidelberger Schreiner-Innung folgender Eintrag:
1898.
Heidelberger
Schreiner-Innung.
«Am 17. Oktober 1898 erging von dem Vorstande der "Vereinigung selbständiger Handwerksmeister" eine Einladung an eine Anzahl hiesiger Schreinermeister behufs Zusammenkunft zur Gründung einer "Freien Innung der Schreiner-Meister dahier."
Es waren der Einladung von ca. 25 Meistern 15 gefolgt. Sämtliche Meister waren damit einverstanden, daß eine Innung gegründet werden soll und wurde ein provisorisches Comitee gewählt:
Die Herren A. Bussemer (als Vorsitzender), Gg. Liedvogel, P. Beck, E. Schaller und Schmahl.
Es fand dann am 30. November 1898 eine engere Besprechung statt und wurde beschlossen, auf Montag, den 5. Dezember 1898, eine allgemeine Versammlung anzuberaumen, wozu sämtliche Herren Schreinermeister durch Circular persönlich eingeladen werden sollen.»
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Nach der Versammlung am 5. Dezember 1898 im «Prinz Max» findet sich folgendes Dokument:
«In dieser Versammlung waren 30 selbständige Meister erschienen. Nachdem der Vorsitzende, Herr A. Bussemer, die Versammlung eröffnete und sich in kurzen Worten über Zweck und Ziel einer "freien Innung" ausgesprochen hatte, sprachen die Herren P. Beck, Jäckle und Bäuerle eingehend über den Nutzen einer Innung und suchten die Anwesenden von der Notwendigkeit einer solchen zu überzeugen.
Nach kurzer Diskussion legte der Vorsitzende der Versammlung die Frage vor:
"Sind die anwesenden Herren Schreinermeister gewillt und damit einverstanden, daß hier eine Schreiner-Innung gegründet werde?"
Diese Frage wurde durch Erheben von den Sitzen einstimmig bejaht bzw. angenommen und die Gründung einer Innung vollzogen.
Es wurden sodann durch Namensaufruf folgende Herren zu einer beratenden Comission ernannt, um die Geschäfte der Innung einzuleiten, das Statut auszuarbeiten und Schritte zu tun, um die Innung lebensfähig werden zu lassen.
Zu dieser Comission wurden gewählt die Herren
A. Bussemer Gg. Liedvogel P. Beck
E. Schaller C. Diegel K. Mock
G. Träumer Schenkelder Schmahl
G. Michel J. Lohrer
Heidelberg, den 5. Dezember 1898
gez. A. Bussemer K. Mock»
- Die Gründung der Schreiner-Innung Heidelberg fand genau am 27. Dezember 1899 statt. An diesem Tag erfolgte der Beschluß, dass eine «Freie Innung» für das Schreinerhandwerk in Heidelberg am 1. Januar 1900 ins Leben treten soll.
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Das Wortprotokoll der Gründungssitzung, angefertigt von Schriftführer Deierling als Abschrift aus den
Akten des Bürgermeisteramtes lautete:
«Nachdem von Seiten der Meister des hiesigen Schreinerhandwerkes der Antrag auf Errichtung einer freien Innung gestellt worden und nachdem der vorgelegte Statutenentwurf die bezirksamtliche Genehmigung gefunden und der Aufsichtsbehörde gemäß § 9 Abs. 3 d. V. v. 4.4.98 zugestellt worden, hat man die Unterzeichner des Status durch ortsübliche Bekanntmachung gemäß § 12 d. V. O. zu einer Versammlung in den Stadtratssaal einberufen, in welcher die Innung gebildet und der Innungsvorstand gewählt werden soll.»
Den Vorsitz dieser Sitzung hatte Bürgermeister Dr. Walz. - Zum ersten Obermeister der Innung wurde Adolf Bussemer gewählt, der erste Stellvertreter war Ernst Schaller. Die ersten Beisitzer waren Karl Schenkelder, Peter Beck und Georg Michel. Erster Kassenführer wurde Georg Liedvogel, der erste Schriftführer hieß Karl Mock. Der neuen Innung traten 27 Mitglieder bei. Zum Innungslokal wurde das Nebenzimmer des «Essighaus» bestimmt.
- Die erste Sitzung der neu gegründeten «Freien Schreiner-Innung» fand am 8. Februar 1900 im Nebensaal des «Prinz Max» statt. Man verständigte sich darauf, die Sitzungen an jedem ersten Mittwoch eines Monats im Nebenzimmer des «Essighaus» abzuhalten. Jedes unentschuldigte Fernbleiben wurde mit 50 Pfennigen Ordnungsstrafe geahndet.
- Der Jahresbeitrag betrug 4 Mark, ein Neueintritt kostete 2 Mark. Durch mangelnde Beteiligung und den damit verbundenen Ordnungsstrafen stieg das Reinvermögen der Innung bis zum März 1901 auf über 75 Mark an.
- Im Juni 1902 machte die Innung für die Schreinerarbeiten zum städtischen Saalbau - der Stadthalle - geschlossen ein Angebot und erhielt den Zuschlag.
- Organisatorisch weitet sich die Innung aus. Von Heidelberg aus werden auch Eberbach, Sinsheim und Mosbach betreut. Delegierte besuchen die Innungsversammlungen in anderen Städte.
- Am 30. November 1906 wird die Innung aufgelöst und in eine «Freie Vereinigung selbstständiger Schreinermeister und verwandter Berufe» überführt. Das Barvermögen in Höhe von 17,64 Mark wird mit übernommen.
- Zwischen 1899 und 1905 schwankte die Anzahl der Mitglieder zwischen 22 und 25. Die Neigung zur Anwesenheit bei Sitzungen ist eher gering. Ein Grund hierfür dürfte die tägliche Arbeitszeit von 10 Stunden gewesen sein, wodurch die Sitzungen erst am späten Abend begannen.
- Im September 1907 werden Bussemer, Morath und Mock zum ersten Verbandstag des neu gegründeten Landesverbands nach Freiburg delegiert.
- In Freiburg erscheint die erste Fach- und Verbandszeitung, die «Badische Schreinermeisterzeitung»
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Auszug aus dem Protokoll der Mitgliederversammlung vom 1. Juli 1908:
«Ausflug mit den Mannheimer Kollegen. Nach längerer Beratung kam man zu dem Beschluß, den Ausflug derart zu gestalten: an einem der nächsten Sonntage, möglichst am 12. Juli, mit dem Zuge zwischen 2 und 3 Uhr Nachmittag nach Schlierbach zu fahren, von da zu Fuß über die Au nach Neckargemünd, wo man sich dann in eine passende Wirtschaft zu einem gemütlichen Zusammensein zusammenfinden soll. Der Schriftführer wurde beauftragt, sich mit dem Mannheimer Kollegen ins Benehmen zu setzen. Ferner wurde der Wunsch geäußert, mit dem Schiff zurückzufahren, sowie einen Klavierspieler zu arrangieren. Weiter wurde beschlossen, den Ausflug in den Tagesblättern bekanntzugeben. - Am 18. November 1908 überträgt der Stadtrat in der Mitgliederversammlung die Schreinerarbeiten für die Wilckensschule in 6 Losen an verschiedene Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Vereinigung (Innung).
- Bei der Generalversammlung am 21. Januar 1910 stehen Neuwahlen an. Wegen gesundheitlicher Gründe kann Obermeister Bussemer sein Amt nicht mehr fortführen. Er wird zum Ehrenobermeister ernannt. Seine Nachfolge tritt Herr Clormann an.
- Erste Gewerbeausstellungen werden veranstaltet, die ausgesuchte Handwerksleistungen der Öffentlichkeit zugänglich machen. Im Sommer besucht die Innung die Ausstellung in Sinsheim.
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Am 16. Februar 1912 wird in der Mitgliederversammlung über die Annahme eines neuen
Tarifvertrags entschieden.
Die Schiedskommission in Berlin hatte einen Schiedsspruch gefällt, nachdem unter anderem der Durschnittslohn ab dem 17. Februar 1912 die Höhe von 51 Pf betragen soll. Der Schiedsspruch war am Vortag von den Mitgliedern des Arbeitgeberschutzverbandes angenommen worden. Nach längerer Diskussion nehmen auch die Kollegen, die nicht Mitglied des Arbeitgeberschutzverbandes sind, den Schiedsspruch an.
Nach Antrag des 1. Vorsitzenden wird beschlossen, die Ankündigung einer Preiserhöhung aufgrund des neuen Tarifvertrags in den hiesigen Zeitungen zu veröffentlichen. - In der Mitgliederversammlung am 9. Mai 1912 berichtet der 2. Vorsitzende R. Bardes von der Unzufriedenheit der Prüflinge bei der Gesellenprüfung, da die Prüfungskommission Arbeiten akzeptiert hatte, die auch mit Maschinenhilfe erstellt worden waren. R. Schuler drängt darauf, dass sämtliche Gesellenstücke von Hand zu erstellen seien. Der Vorsitzende gibt daraufhin ein Schreiben an die Handwerkskammer in Auftrag, «daß in Zukunft die Prüflinge angewiesen werden, die Gesellenstücke von Hand und in fremder Werkstätte auszuführen.»
- In der ersten Vorstandssitzung nach Kriegsausbruch verzeichnen die Protokolle Einträge über die Herstellung von Lazarettmöbeln und die Einberufung von 8 Innungsmitgliedern, darunter der Obermeister Clormann. Als Interims-Obermeister ab November 1914 wird C. Liedvogel ernannt.
- In der Generalverammlung im Februar 1915 wird der gesamte Vorstand neu gewählt. C. Liedvogel wird als Obermeister bestätigt. Die Innung hat in diesem Jahr 35 Mitglieder. Dank einer guten finanziellen Lage, werden 525 Mark aus der Kasse den Frauen zugewiesen, deren Männer im Felde stehen.
- Die Schreinermeister Heidelbergs gründen am 23. Februar 1916 eine Lieferungs- und Einkaufsgenossenschaft, um den Schwierigkeiten bei der Beschaffung von Arbeitsmaterial zu begegnen.
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Die erste Versammlung nach Beendigung der Kriegshandlungen findet am 14. Dezember 1918 statt.
Obermeister Liedvogel begrüßt die Kriegsheimkehrer. Zur Unterstützung derer Kollegen, die
durch den Kriegsdienst ihr Unternehmen teilweise oder gar nicht betreiben konnten, macht der Obermeister den
Vorschlag, diesen Kollegen die turnusmäßig anfallenden Arbeiten der Behörden für das
Jahr 1919 zu übergeben.
Der Vorschlag wird einstimmig angenommen.